Die „Vernichtungsmaschine“ das Unbewusste UBW und ihr Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen

 

 

Wie das Unbewusste unser Verhalten negativ beeinflusst

Warum wirkt das Unbewusste negativ auf unser Verhalten? Deshalb, weil das Unbewusste uns Menschen nicht zugänglich ist. Es besteht keine Kommunikation zwischen unserem Bewusstsein und unserem Unbewussten.

Das Bewusstsein ist alles, was wir begreifen können. In der Psychoanalyse PA nennen wir es die „Spitze des Eisbergs“. Das Unbewusste hingegen ist eine Grabkammer, ein Depot, wo alle Verdrängungen, Verletzungen und Verbitterungen, die niemals aufgedeckt  bzw. verarbeitet wurden, lagern.

Angst steht im Vordergrund, wenn man versucht, das Unbewusste aufzudecken. Warum ist dies der Fall? Die Angst will uns vor der schmerzhaften Aufdeckung schützen, deshalb versperrt sie uns den Weg zum Unbewussten.

Für die zwischenmenschliche Kommunikation bedeutet dies, dass die Beziehung durch Affekte bedroht wird und zwischenmenschliche Beziehungen deshalb zugrunde gehen. In einem größeren Rahmen können auch Kriege dadurch erklärt werden. Man kann dies am aktuellen Beispiel des religiösen Fanatismus erläutern. Religiöse Fanatiker zeigen nach außen hin paranoides Verhalten und aufgrund der Affekte des Unbewussten können die innerliche und die äußerliche Welt nicht kommunizieren. (Andrawis A, 2013)

Jegliches Verhalten aus dem Unbewussten ist für den anderen Menschen negativ besetzt, so negativ, dass dadurch zwischenmenschliche Beziehungen zu Grunde gehen. Es ist störend für zwischenmenschliche Beziehungen und es entstehen Missverständnisse, Misstrauen, Hass, Verachtung, Neid und Eifersucht und ein „Gegeneinander“. All diese negativen Eigenschaften kann man als „Vernichtungsmaschine“ bezeichnen, die sich gegen jegliche Beziehung – insbesondere zwischenmenschliche Beziehung – richtet.

Demjenigen, der dieses Verhalten zeigt, ist es nicht bewusst und nicht zugänglich. Warum ist dies so? Weil der Mensch keinen Zugang zu seinem UBW findet. Das heißt, das negative Verhalten wird nicht richtig wahrgenommen und subjektiv mit der „Spitze des Eisbergs“ erklärt. (Andrawis A, 2013)

Das Unbewusste ist ein Musterverhalten, ein Grundübel für alle zerbrochenen Beziehungen. Das Dilemma dabei ist, dass jeder Mensch Gutes tun will, ihm dies aber aufgrund seiner Muster nicht möglich ist, die ihm nicht bewusst sind: „Gut gemeint, heißt nicht immer gut.“

Ich will die Welt verändern

Wie kann man diesen Zustand ändern? Auf diese Frage muss man eine Antwort geben: “Wenn ich die Welt verändern will, muss ich mit mir selbst beginnen.“ (A. Andrawis)

Wie geht das und was bedeutet das?

Ich muss etwas ändern wollen, also mich selbst. Die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion ist dafür Voraussetzung. Der Wille zur Änderung muss gegeben sein. Ich beginne mit dem Wollen, etwas in mir zu verändern. Das bedeutet, dass ich die Bereitschaft zum Aufdecken meines Unbewussten habe. (Andrawis A, 2013)

Wie bereits erwähnt wurde, kann das Unbewusste als Grabkammer vorgestellt werden, in der alle Verdrängungen lagern und deren infantile Verhaltensmuster, die sich in den verschiedenen Situationen als Syndrom bzw. Symptom manifestieren, etwa als Übertragung.

Aus dem Depot der Grabkammer wird ein Musterverhalten etabliert, das unbewusst ist und auch nach außen getragen wird. Diese nach außen getragenen Muster nennen wir in der PA „Übertragungs-Phänomene“ (neurotische Übertragung). Diese haben einen negativen Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. (Andrawis A, 2013)

Bei der Therapie und dem therapeutischen Prozessverlauf besteht die Chance, diese Muster aufzudecken. Dies geschieht durch die Rekonstruierung der Biographie und des intrapsychischen Zustandes. Hier spielt die „Deutungs-Sprache“ des Therapeuten eine große Rolle. Therapeutische Ziele sind, das Unbewusste in das Bewusstsein zu heben, das Unbewusste zu thematisieren und die therapeutischen Ziele durch die neuen Erkenntnisse achtsam in die Tat umzusetzen. (Andrawis A, 2013)

Die „Deutungs-Sprache“ basiert auf drei Schritten

  • Rekonstruierung aus der biografischen Anamnese
  • Die Verknüpfung zwischen Biographie und Psycho-Dynamik herstellen
  • Aus der „Deutungs-Sprache“ heraus wird ein therapeutisches Ziel formuliert

Schwierigkeiten, denen man im therapeutischen Prozessverlauf begegnet, sind die Abwehr und der Widerstand des Patienten. Der Betroffene hat Angst. Diese aktiviert die Mechanismen der Abwehr, die wiederum den therapeutischen Zielen kontraproduktiv entgegenwirken. Hier spielen das Urvertrauen und die Urliebe eine große Rolle. Wenn diese aus biografischen Gründen aufgrund eines frühen Ödipal-Komplexes verletzt sind, manifestiert sich das Musterverhalten. In Stresssituationen werden persönliche  Lebenskonflikte regrediert. Hier ist der Bedarf der Rekonstruierung aus der Biografie des Patienten im Zusammenhang mit dem intrapsychischen Zustand und somit der Psycho-Dynamik gegeben. (Andrawis A, 2013)

Regression

Wird als Abwehrmechanismus beschrieben, der zur Neurose führt. Sie bedeutet sowohl das Zurückschreiten und Zurückgreifen auf frühere Entwicklungsphasen. Sie kann auch das Bestreben danach darstellen, ein kleines Kind bleiben zu wollen. Die Regression kann immer wieder verwendet werden, um eine Schwierigkeit zu bewältigen und Angst zu vermeiden. Die Objektbeziehungstheorie deutet darauf hin, dass sich das erwachsene Ich kindlich verhalten kann, da Ängste nicht überwunden sind. Das Es, das nicht überwunden und verdrängt ist, zeigt sich als Über-Ich und führt zur Regression. (Schuster P, Springer-Kremser M, 1997)

Die Regression dient dazu, die mit dem Scheitern verbundenen Schuld-, Angst- und Minderwertigkeitsgefühle nicht ins Bewusstsein kommen zu lassen. Angstbewältigung und Trieb-Impuls-Abwehr werden angestrebt durch zeitweiligen Rückzug auf eine frühkindliche Entwicklungsstufe. Kindische Ersatzhandlungen überdecken die bewusste Auseinandersetzung mit belastenden Inhalten, z. B: Griff zu Zigaretten, Alkohol, Drogen. Einfache primitive Reaktionen zeigen sich in Form von Weinerlichkeit, Trotzverhalten und Krankheit. (Andrawis A, 2013)

Projektion

Alles, was ich an mir nicht wahrhaben will, projiziere ich auf den anderen. Unbewusst werden Wünsche, Ängste, Schuldgefühle, Triebimpulse, eigene Schwächen, Fehler und „innere Objekte“, die Anstoß erregen, vom eigenen Bewusstsein abgespalten und auf Objekte in der Außenwelt übertragen. Es liegt eine Selbsttäuschung vor. Man sieht den anderen nicht so, wie er ist, sondern so, wie man ihn haben möchte. (Schuster P, Springer-Kremser M, 1997)

Introjektion, Identifizierung und Bewahrung des externen Charakters des Objekts

Stellt die „Gegenbewegung“ der Projektion dar. Neigung des Ichs, Objekte der Außenwelt und deren Eigenschaften von „außen“ ins „Innere“ zu vereinnahmen (Introjektion) und die Eigenschaften der anderen Menschen in eigene umzuwandeln (Identifizierung). (Schuster P, Springer-Kremser M, 1997)

Im Verlauf der Identifizierung „macht sich das sich identifizierende Subjekt Merkmale des Objektes in einer Weise zu eigen, daß das Subjekt diese Merkmale als seine eigenen erlebt. Durch Identifizierungen entstehen die entpersönlichten und von personalen Beziehungen unabhängig gewordenen psychischen Strukturen des Ich und des Überich.“ (Schuster P, Springer-Kremser M, 1998, S. 17)

Die verinnerlichten Objektrepräsentanzen bleiben bei der Bewahrung des externen Charakters des Objekts anders als bei Introjektion und Identifizierung und deren Schicksal der Objekte weiterhin als fremder Charakter verinnerlicht. (Schuster P, Springer-Kremser M, 1998)

Literaturverzeichnis

 

  • Andrawis A (2013): Der verborgene Teil des Eisbergs. Eine zweijährige Patientenanalyse
  • Bürgin D, Resch F, Schulte-Markwort M (2009): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2. Das Manual für Diagnostik und Therapieplanung,, überarb. Aufl. Verlag Huber
  • Dilling H, Mombour W, Schmidt M H (2011): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien, überarb. Aufl., Verlag Hans Huber
  • Kernberg O F (1998): Psychodynamische Therapie bei Borderline-Patienten, Verlag Hans Huber
  • Mentzos S (2010): Neurotische Konfliktverarbeitung. Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven, Fischer-Verlag
  • Möller H-J, Laux G, und Deisster A (2010): MLP Duale Reihe Psychiatrie, Hippokrates Verlag
  • Möller H-J, Laux G, Deister A (2014): Psychiatrie und Psychotherapie, 5. Aufl., Thieme Verlag
  • Schuster P, Springer-Kremser M (1997): Bausteine der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Tiefenpsychologie, 4.Aufl., WUV-Universitätsverlag
  • Schuster P, Springer-Kremser M (1998): Anwendungen der Psychoanalyse. Gesundheit und Krankheit aus psychoanalytischer Sicht, 2. überarb. Aufl., WUV-Universitätsverlag
  • Zepf S, (2000): Allgemeine psychoanalytische Neurosenlehre, Psychosomatik und Sozialpsychologie, Psychosozial-Verlag

 

Univ. Prof. Dr. Andrawis