Psychotherapien im Hinblick

auf die psychosomatische Medizin

In der psychosomatischen Heilkunde beschreibt Andrawis, (2013), dass nicht der Befund allein für eine Heilung ausschlaggebend ist. Eine ganzheitliche Betrachtung des Individuums schließt z.B. auch im Hintergrund gelegene psychosoziale Befindlichkeiten ein Psychosozialer Faktor.

Um eine Krankheit zu erfassen, sollte der Arzt seinen Patienten als individuelle Person ansehen, seine Beschwerden aus jedem möglichen Blickwinkel wahrnehmen und diese in einen Zusammenhang bringen (Leib-Seele-Einheit). Wichtig ist, wie schon Bräutigam et. al. betonen, dass der Arzt die Phänomene der Reflexe zwischen Körper und Seele gleichzeitig im Blick hat. Alle medizinischen Theorien stellen mehrheitlich die Undurchschaubarkeit der biologischen Vorgänge dar. Diese Vorgänge verlangen vom Therapeuten oder Arzt deren gesamte Aufmerksamkeit. Die Dimension seelischer, bewusster und unbewusster innerlicher Befindlichkeit und Emotionalität, wie auch die selektive Wahrnehmung der sozialen Umwelt des Patienten, sind weitere Bereiche der vielfältigen Theorien und Sichtweisen in der psychosomatischen Medizin (Andrawis A, 2013).

Psychoanalytische Konzepte der Psychosomatik Krankheit als Konflikt

Bei der Erforschung des Krankheitskonflikts waren zwei Leitlinien für die Entstehung psychosomatischer Symptombildung ausschlaggebend, nämlich die Freud’sche Psychoanalyse und die aus der inneren Medizin hervorgegangene psychosomatische Denkweise der Internisten, wie z.B. G. v. Bergmann (Berlin), V.v. Weizsäcker, L. Krehl (Heidelberg). Wie schon Bräutigam et. al. beschreiben, haben die Internisten diese Symptombildung als funktionelle Störung ohne somatischen Befund diagnostiziert. Die Psychoanalyse hat den seelischen Konflikt als Grund für die Entstehung von somatischen Störungen in den Vordergrund gestellt. (ebd.):

Durch die Praxis und die Theorien der Psychoanalyse entstanden vielschichtige Systeme, die unerschöpflich sind. Historisch wurde durch Freud ein bedeutender Zugang für die Medizin geschaffen, der eine neue Dimension eröffnete: Krankheiten im Hinblick auf ihre Psychosomatik zu behandeln. Wie schon Andrawis, (2013) betonen, spielt die Lebensgeschichte der frühen kindlichen Traumata auf die Entwicklung die Menschen für die leib-seelische Gesundheit bzw. Krankheit eine große Rolle. Der Einfluss von seelischen Konflikten auf die emotionale Ebene (Bindungen bzw. Trennungen, Sexual- und Aggressionskonflikte) wird oft sehr deutlich schon in der Pathogenese erkennbar. (ebd.).

Bevor man auf die Theorien der Psychoanalyse näher eingeht, ist es nützlich, einige wichtige Hinweise, die schon der Autor beschreibt, auf den psychoanalytischen Zusammenhang zu erwähnen:

  1. In der modernen Psychoanalyse wird auf die frühkindliche Entwicklung hingewiesen. Dabei wird auf verschiedene Krisenpunkte, die auf spätere Störungen einen Einfluss haben können, hingewiesen. Die gesunden bzw. gestörten Triebe in der frühen Kindheit haben Einfluss auf die Reifung der verschiedenen Triebstufen der Leib-Seele Entwicklung im Erwachsenenalter.
  2. In der Psychoanalyse gibt es eine Hierarchie der seelischen Strukturen. Dabei herrschen differenzierte Arten des Erlebens und Verhaltens vor: Das Unbewußte UBW – das Vorbewußte VBW – das Bewußt BW, Es – Ich – Über-Ich, Primärprozeß – Sekundärprozeß. Im Laufe des Lebens, bei Krisen- oder Harmonieerlebnissen, bei Zusammenbrüchen oder gelungenen Leistungen, herrschen einmal differenzierte, ein anderes Mal elementare Verhaltensmuster vor. Im gelungenen Fall kommt es zu verbesserter Anpassungsfähigkeit zugunsten von Konfliktlösungen. Im anderen Fall kommt es zur Regression, die eine negative Wirkung auf der Somatisierungsebene hat.
  3. Die Psychoanalyse entwickelt unter Hinweis auf die Triebentwicklung eine differenzierte Ich- und Selbstpsychologie. Die sogenannte Ichstärke oder Ichschwäche stellt eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene oder misslungene Konfliktlösung dar. Die Ichschwäche ist eine Schwäche des Individuums sich seiner Umwelt anzupassen. Dies führt meistens zur Entstehung von Störungen.
  4. In letzter Zeit findet der Einfluss von hemmenden bzw. fördernden Aspekten in frühkindlichen und aktuellen Beziehungen im Rahmen der Objektbeziehungs-psychologie in der Psychoanalyse besondere Beachtung. Der einzelne Mensch wird hierbei nicht aus seiner persönlichen, der genetischen, psychologischen sowie individuellen Entwicklung heraus verstanden, sondern als objektbezogenes, soziales Wesen, welches bestimmte Bindungen eingeht und von Beziehungen abhängig ist. Andrawis, (2013) erläuterte, dass Krankheit auch aus den Verhältnissen und der Art der Begegnung von und mit den Mitmenschen abgeleitet werden könne.

 Der Beitrag der Psychoanalyse für die Psychosomatik

Die Psychoanalyse hat das Modell der Konversion durch Sigmund Freud und dessen „Studien zur Hysterie“ (1895) entwickelt, in welchem die hysterische Symptombildung beschrieben wird, z.B. die psychogene Armlähmung, die hysterische Dysbasie (Gangstörung) und die psychogene Anästhesie (Gefühlsstörung).

Wie schon Andrawis, (2013) erklärt, ist die Willkürbewegung Vorbild des psychoanalytischen Konversionsbegriffes, der in Handlungsentwurf und motorischer Ausführung, wie beim Zeigen, Greifen, Deuten oder im Schliessen der Faust umgesetzt wird. Freud ist der Meinung, dass durch die Konversion Unlust bekämpft wird und ihre Erregungssumme in die körperliche Ebene umgeleitet wird.

Unbewusste konflikthafte Fantasien führen so zu körperlichen Veränderungen (somatische, motorische oder sensible Symptome).

Die psychische Energie (Libido) wird in einen Reiz umgewandelt, durch ein Symptom gebunden und von diesem im Unbewussten gehalten. Die Libido benötigt Aufmerksamkeit. Sie hat sowohl Befriedigungs- als auch Bestrafungscharakter. (ebd.).

Freud war der Ansicht, dass dieses Ereignis auf eine körperliche Erfahrung schliesst. So sind, wie schon Bräutigam et. al. erklären, diese Theorie und Praxis bis heute für Patienten verwendbar, die an einer Hysteriesymptombildung leiden, nicht nur an einer Lähmung, sondern auch z.B. an einer Stimm- und Sensibilitätsstörung. Die psychosozialen Systeme spielen eine besonders große Rolle bei körperlichen Symptombildungen. Diese Erklärung war für die Wissenschaft aber nicht befriedigend. Bei einem genitalsexuellen Konflikt ist Fenichel der Meinung, dass frühe Störungen infantiler Bedürfnisse die Ursache des Wunsches nach Wärme, Nähe und Geborgenheit sind. Rangell (1959) versuchte den Konversionsbegriff einzugrenzen, was allerdings nicht gelang, da dieses Modell im Zusammenhang mit körperlichen Störungen bei praktisch allen Konflikten vorkam. Die Frage stellt sich nun, ob man dieses Modell doch behalten kann, ohne dass die Intention von Freud bezüglich der symbolischen Darstellung des Konfliktes und der triebdynamischen Erlösung durch das Symptom nachweisbar ist (ebd.).

Im Gegensatz zu Freud und den meisten Psychoanalytikern, die das Konversionsmodell lediglich auf die Hysterie beschränkten, wendete Groddeck, (1866-1934)  das Modell auch auf andere Erkrankungen, wie etwa auf Organkranke an. Er war der Ansicht, dass Körpersymptome eine Symbolik haben, die aus den Kräften des Es entspringen und die sich wiederum in allen Organen äußern können. Dieses Unbewusste, das Es, welches laut Groddeck alle Naturkräfte und Triebrepräsentanzen beinhaltet, ist in seiner Sicht der Ursprung aller Organbesetzungen. Somit würden auch die vom vegetativen Nervensystem gesteuerten inneren Organe unter den Konversionsbegriff fallen. Letztendlich war Groddeck der Erste, der den Einfluss und die Bedeutung unbewusster Abläufe als Ursache von körperlichen Erkrankungen erkannt hat. Trotz seines spekulativen Pathogenese Verständnisses und seiner unwissenschaftlichen Behandlungspraxis, liefert seine Überlegung dennoch einen wertvollen Impuls für eine psychosomatische Betrachtungsweise aller Erkrankungen. Die Vielzahl der psychosomatischen Forscher findet den Konversionsbegriff als Erklärungsprinzip für die Mehrheit psychosomatischer Störungen als nicht ausreichend, da sie sich nur auf eine bestimmte Gruppe symbolisch festgelegter Symptombildungen anwenden lässt. Wie schon Bräutigam et. al. betonen, werden die körperlichen Symptome auf eine psychogenetische Ebene der bewussten und unbewussten Organsprache reduziert, was den vielschichtigen Einflüssen der meisten Krankheiten nicht gerecht wird. Die sozialen und seelischen Einflussfaktoren sind nicht auf neurotische Konfliktspannungen beschränkt, sondern vielfältiger (Andrawis A, 2013).

Univ.  Prof.  Dr.  Andrawis