Funktion und Wechselwirkung zwischen endokrinem System Immun- und Nervensystem

Abb. 1: Die Zusammenhänge zwischen Endokrinum, Nervensystem und Immunsystem.

Modifiziert übernommen aus Fritzsche K, Wirsching M, 2006, S. 13

 

Immunsystem und Psyche

Lebenskrisen des Menschen, wie Verlust einer nahen Person oder Scheidung, können zu Einsamkeit, Depression und Ängsten führen. Von diesen negativen Erlebnissen wird das Immunsystem beeinflusst. Wie schon von Fritzsche und Wirsching erklärt, empfängt das Nervensystem eine Information aus dem Immunsystem in Form von Zytokinen, z.B. Interleukin 1 (IL-1) und Interleukin 6 (IL-6), Interferon und Tumornekrosefaktor (TNF). Im Infektionsverfahren der HPA-Achse werden die Zytokine aktiviert.

Somit wird die Immunreaktion auf die Infektion geschwächt. Wie kommt es zur Schwächung der Immunität?

Bei einer Schwächung der T-Lymphozyten wird auch die Aktivität der natürlichen Killerzellen (Monozyten, Makrophagen) geschwächt.

Dadurch entsteht das Gefühl (Sickness Behaviour) von Unlust, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gliederschmerzen. (Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Das Immunsystem wird durch Stress gehemmt

 

Das Zentralnervensystem steuert das Immunsystem. Der Hypothalamus und die Hypophyse sind der Nebennierenrinden-Achse übergeordnet und steuern die Neurotransmitter und Neurohormone. Umweltbelastungen erhöhen das Stresshormon, welches wiederum das Immunsystem schwächt.

 

Stress

Abb. 2: Hemmung des Immunsystems durch Stress.

Modifiziert übernommen aus Fritzsche K, Wirsching M, 2006, S. 14

Hormonsystem und Psyche

Der Hypothalamus und die Hypophyse regulieren die Freisetzung von Hormonen.

Stress und psychosoziale Belastungen wirken über die sensorischen Neuronen auf das ZNS. Wie schon von Fritzsche und Wirsching bewiesen, werden bei bedrohlichen Erlebnissen das vegetative Nervensystem und das neuroendokrine System aktiviert, um für Kampf oder Flucht bereit zu sein.

(Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Bei einer Störung des Hormonsystemhaushaltes, z.B. Hyperthyreose, leiden die Patienten an Angstgefühlen und depressiver Stimmung.

Eine Überproduktion von Glukokortikoiden wird von einer depressiven Stimmung, von Angst und Gedächtnisstörungen begleitet.

Patienten mit Nebenniereninsuffizienz leiden an Müdigkeit. Wie schon Fritzsche und Wirsching betonen, wird im Fall einer Depression die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse aktiviert. Hier spricht man von Hyperkortisolismus. Er bedeutet ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Kortisonmangel und Reduktion von immunmodulierenden Effekten ist ein Anzeichen für das chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome). (Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Nervensystem und Psyche

In Stresssituationen und bei Belastungen reagiert das Gehirn über zwei Wege, zum einen über das Immunsystem, zum anderen über das endokrine System.

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse

Wie schon Fritzsche und Wirsching erklären, wird das Corticotropin-releasing Hormon (CRH) vom Hypothalamus freigesetzt; in der Hypophyse befindet sich das Neurohormon, das für die Bildung von Adrenocorticotropem-Hormon (ACTH) verantwortlich ist. Das CRH setzt dieses Hormon frei. Dadurch kommt es zu einer Ausschüttung des Nebennierenrindenhormons Kortisol und die Bildung der Interleukine 1, 2 und 12 wodurch die Immunzellen gehemmt werden.

Die Wechselwirkung zwischen Immunsystem und Gehirn bewirkt, dass einerseits die Immunzellen mit ihren Interleukinen auf das Gehirn über den afferenten Vagus wirken, andererseits reagiert das Gehirn durch diese Wechselwirkung auf die Reize des Immunsystems mit einer Reaktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. (Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Durch diesen Prozess entsteht ein Feedback-Mechanismus, der eine überschießende Immunreaktion verursacht. Dadurch werden Entzündungen eingedämmt beziehungsweise behoben. Bei Versagen dieses Mechanismus, im Falle von wenig Abgabe von Kortisol ins Blut, übersteigert sich die Immunreaktion. Deshalb behandelt man Autoimmunerkrankungen mit Kortison.

(Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Vegetatives und autonomes Nervensystem

Das vegetative Nervensystem reagiert viel schneller als das Stresshormon Kortisol. Es verdankt efferenten Bahnen des Sympatikus und des Nervus vagus zusammen mit dem Neurotransmitter Acetylcholin das Hemmen der Entwicklung von Immunzellen. Das Herabsetzen von Entzündungsprozessen durch den Vagus ist auch als cholinerger antiflammatorischer Reflex bekannt. Deshalb gibt es Therapien, die gegen Stress wirken: z.B. Meditation, Hypnose, Akupunktur, etc. Sie wirken aktivierend auf die Vagusfasern. Das führt zu gesundheitsförderndem, entspannendem Wohlbefinden.

Psyche, Gene und Umwelt

Die psychosozialen Erlebnisse, wie schon Fritzsche und Wirsching betonen, beeinflussen und wirken auf die Regulation der Genaktivität. Durch Erlebnisse beziehungsweise Erfahrungen können genetische Reaktionsmuster gebildet werden. Umwelt, Organismus und Gene bilden eine Einheit. Die Gene und die Umwelt beeinflussen sich gegenseitig. Krankheit oder psychische Gesundheit sind nicht vorgegeben, sondern entwickeln sich zum Teil aus zwischenmenschlichen Beziehungen und der Regulation der Genaktivität.

Wenn sich die Genaktivität regulieren lässt, wird auch die Produktion von Proteinen verbessert. Das spielt eine entscheidende Rolle für das Nerven-, Immun-, Hormon- und Herz-Kreislaufsystem. (Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Unter Transkriptionsfaktoren versteht man die Regulation der Genaktivität, in der jedes Gen getrennt durch regulatorische Sequenz ein- oder ausgeschaltet ist.

Hier handelt es sich um Signale, die das Gen von außerhalb erreichen, entweder innerhalb der Zellen oder des Gesamtorganismus. Im Gehirn, besonders in der Großhirnrinde, unterliegt die Regulation von Genen den Signalen aus der Außenwelt: Nervenzellen-Netzwerke und Großhirnrinde modulieren.

Das limbische System, das für emotionale und kognitive Erfahrungen zuständig ist, verbindet alle diese Eindrücke. Dieses System ist auch für den Prozess der Regulation verantwortlich. Es wandelt psychische Erlebnisse in biologische Signale um.

In Stresssituationen verwandelt das Gehirn die Transkriptionsfaktoren in biologische Signale, welche ein Alarmsystem im Hirnstamm auslösen, wobei der Hypothalamus aktiviert wird, sodass eine Angstreaktion einsetzt. Die Aktivierung eines Stressgens beeinflusst Herz- und Kreislaufsystem. Dauerstress hat einen negativen Einfluss auf das Immunsystem und kann eine direkte Schädigung auf Nervenzellen und auf den Hippocampus nach sich ziehen. (Fritzsche K, Wirsching M, 2006)

Univ. Prof. Dr. Andrawis

Literaturverzeichnis

 

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  • Fritzsche K, Wirsching M (2006) Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Springer Medizin Verlag
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  • Kernberg O F (1998): Psychodynamische Therapie bei Borderline-Patienten, Verlag Hans Huber
  • Schuster P, Springer-Kremser M (1997): Bausteine der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Tiefenpsychologie, 4.Aufl., WUV-Universitätsverlag
  • Schuster P, Springer-Kremser M (1998): Anwendungen der Psychoanalyse. Gesundheit und Krankheit aus psychoanalytischer Sicht, 2. überarb. Aufl., WUV-Universitätsverlag
  • Zepf S, (2000): Allgemeine psychoanalytische Neurosenlehre, Psychosomatik und Sozialpsychologie, Psychosozial-Verlag.